Rafael D. Trope, 2022
Es war einer dieser schwül drückenden Sommerabende, die gerade in Wien schwer in den Gassen lasten und die Bewohner der Stadt in ihren Hitze schwitzenden Wänden gefangen halten, als mich ein fast schon vergessen geglaubtes Ereignis auf schaurige Weise wieder einholte.
Ich weiß nicht mehr, was der Grund dafür war, weshalb ich beschlossen hatte, spontan einen Ausflug in die Innenstadt zu machen, wo mir doch der Trubel und die Hektik der touristisch überfluteten Wiener Straßen, Gassen und Einkaufspassagen, so garnicht liegt. Ich kann mich nur noch an die seltsame Unruhe erinnern, die sich schon den ganzen Tag über in mir aufgebaut und mich übellaunig durchs Haus tigern lassen hatte. Mag auch sein, dass ich einfach nur den Kopf frei bekommen wollte, der sich so unangenehm vollgestopft angefühlt hatte und in dem grüblerisch die Gedanken zwischen den Schläfen gependelt waren, eine depressive Schleimspur hinter sich herziehend.
Auch weiß ich nicht mehr, wie genau ich dahin gekommen war, als ich plötzlich vor dieser Vitrine stand und fassungslos auf jenes kleine Bild starrte, das auf einem wurmstichigen Regalboden, nebst allerlei anderem, historisch aufgeladenem Krimskrams stand und schief an der Rückwand lehnte. Schon etwas angegilbt in den Ecken, hing es in seinem schlichten hölzernen Rahmen und ich bildete mir ein, dass die schimmligen Flecken darauf schon seit Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten versuchten sich durch das alte Pergament zu fressen.
Schimmlige Flecken, wie ich sie auch in jenem Durchgang gesehen hatte, so erinnerte ich mich nun wage, auf den ich gestoßen war als ich orientierungslos, wie es für mich üblich ist, wenn ich mich im Urbanen befinde, durch die U-Bahn Station Stephansplatz geirrt war. Ich hatte mir das mühselige Parkplatzsuchen nicht antun wollen und so beschlossen, das Park-And-Ride Angebot zu testen und die U-Bahn zu nutzen, hatte dabei aber völlig vergessen, wie mich dieses Unterirdische verwirrt, weil ich nie weiß, in welche Richtung ich mich da unten bewege und ob mein Ziel nicht eigentlich am anderen Ende der ins Dunkel fluchtenden Schienen liegt. So war ich dann reichlich überfordert und etwas überrascht in diese U-Bahn Station Stephansplatz gespült worden, wo mich der nicht enden wollende, nach Schweiß und Hektik übel riechende Strom an Menschen eiligst einen Ausgang haben suchen lassen, mit dem Ergebnis, dass ich mich vollends verlaufen und ich eine eiserne Treppe genommen hatte, von der ich bis heute überzeugt bin, dass sie eigentlich gesperrt gewesen war. Aber nachdem dort deutlich weniger Leute herumwuselten und es auch nicht mehr all zu streng roch, hatte ich beschlossen, diese hinaufzusteigen, auch ein wenig wegen des rostig braunen, an den Ecken mit massiven schwarzen Schrauben an die schimmlige Wand gepressten Schildes, auf dem kaum lesbar in Kurrentschrift „Mittelalterliches Museum Virgil-Kapelle“ stand. Jene schimmligen Flecken waren es gewesen, die den Durchgang markierten, an dessen Wänden tropfig feucht, sich das Alter eingegraben hatte und der leise Atem seiner schwer lastenden Geschichte zog mich weiter, bis er mich in das kleine menschenleere Museum geführt hatte, in dem ich dann vor dieser wackligen Vitrine zu stehen gekommen war.
„Sie war die Einzige ihres Geschlechts.“
Der Tiefton brummige Bariton in dieser Stimme ließ meine Magennerven surren und mich erschrocken herumfahren.
„Verzeiht er mir, mein Herr, ich wollt ihn nicht erschrecken!“
Verwirrt blickte ich in ein Gesicht, das sich zu mir herabbeugte und direkt aus einem „Herr der Ringe“ Buch entsprungen sein konnte. Ein Gesicht, das hinter einem mächtigen, grauen Bart fast vollständig verschwand, der nahtlos in eine ebenso graue Mähne überging, die ihm nach vorne über die Schultern fiel. Zwei listig blinzelnde Augen, dessen Farbe ich nicht zuordnen konnte, flüchteten sich hinter buschig schattige Brauen und wäre da nicht die moderne Lesebrille gewesen, die er auf seiner krummen Adlernase balancierte, ich hätte schwören wollen, Gandalf dem Grauen gegenüber zu stehen.
„Wie?“ Stammelte ich verwirrt.
Sein Blick richtete sich mit einem wissenden Nicken auf das Bild in der Vitrine, auf das ich gedankenverloren die ganze Zeit gestarrt hatte und das eine junge Frau zeigte. Seine Stimme senkte sich schicksalsschwanger zu einem Flüstern, als er so mehr zu sich selbst als zu mir zu sprach.
„Die Päpstin. Viele halten sie nur für ein Gerücht, aber andere wiederum wissen um den verschwundenen Papst, der um 850 nach Christus das Pontifikat inne hatte und der laut der mittelalterlichen Papstchronik, „Liber Pontificalis“, der Papst ohne Namen war. Ich allerdings meine mich erinnern zu können, dass es die Päpstin Johanna war, aber wer glaubt schon einem alten Narren wie mir!“
Etwas Uraltes schwang in dieser Stimme und es wäre mir auch beinahe entgangen, wenn es nicht auch etwas in mir zum Schwingen gebracht hätte. Eine Erinnerung schälte sich aus meiner Vergangenheit und sprang mich über die Jahre hinweg an, in denen ich geglaubt hatte, sie wäre nur eine Einbildung gewesen, ein Albtraum, der so real erscheint aber verfliegt und sich auflöst, nachdem man erwacht ist. Seltsam, dass ich mich ausgerechnet jetzt daran erinnere, dachte ich.
„Ich habe sie schon einmal gesehen.“ Sagte ich dumpf vor mich hin. „Aber es war anders.“
„Es gibt viele Bildnisse von ihr,“ sinnierte Gandalf. „Einige sogar sind sehr berühmt. Jean Fouquet, zum Beispiel, hat sie auf einem Thron sitzend gemalt, während sie von Kardinälen und Kirchenvertretern umgeben ist, sehr kontrovers, wie ich meine und damit umso glaubhafter. Es hängt im Louvre in Paris. Oder Alfred Joseph Woolmers „Die Päpstin“, meine Lieblingsdarstellung. Sie zeigt eine junge Frau in Papstrobe, die den Papst-Thron besteigt. Ein sehr romantisches Gemälde. Es betont die Idee von weiblicher Macht und Verkleidung. Es hängt in der „Royal Academie of Arts“ in London und es gibt sogar ein Buch über sie.“
Gandalf lachte tonlos und sein Bart begann dabei rhythmisch zu schwingen. Er wollte sich schon umdrehen, vielleicht um nach etwas Wichtigem zu sehen, als ich sagte: „Nein, sowas meine ich nicht. Ich habe sie auf einer Karte gesehen, ich weiß nicht, sowas ähnliches, wie eine Spielkarte. Ach, ist ja auch egal!“
Er hielt so abrupt inne, dass der altersrissige Dielenboden unter seinen schweren, eisenbeschlagenen Schuhen zu knarzen begann. Er richtete sich aus seiner verkrümmten, nach vorne gebeugten Haltung kerzengerade auf und drehte sich langsam zu mir hin.
Mein Gott, dachte ich, dieser Waldschrat überragt mich ja fast um eine Kopflänge.
Irgendwie war es düsterer geworden. Die brüchigen Mauern saugten das Licht aus dem kleinen Museum und nahmen die Wärme gleich mit.
„Was sagt er da? Eine Karte?“ Er machte dabei einen Schritt auf mich zu und erst jetzt fiel mir sein aus der Zeit gefallener Umhang auf, der mottenlöchrig, von einem breiten Ledergürtel zusammengehalten, seinen gewaltigen Leib umspannte.
„Ja, genau!“ Gab ich zurück und konnte nur mühsam das leichte Zittern in meiner Stimme verbergen.
„Erzähl er mir davon!“ Herrschte er mich gebieterisch an.
„Ich weiß nicht, es war sehr eigenartig, fast schon gruselig.“
Er blickte mich eine Zeitlang an und als ich nichts mehr sagte, grummelte er in seinen Bart hinein: „Hm, na gut! Wenn es dem Herrn unangenehm ist.“ Er wollte sich schon wieder umdrehen und gehen. Im Nachhinein, denke ich, dass es vielleicht besser gewesen wäre, ihn gehen zu lassen. Vielleicht wäre dann alles anders gekommen und vor allem, wäre ich sicher nicht mehr zurückgekommen, eine Woche später nach diesem seltsamen Treffen mit Gandalf. Weil etwas mich nicht losgelassen hatte, ich irgendwie noch etwas suchte, etwas das mir gefehlt hatte, als ich das Museum verließ, auf dem gleichen Weg, den ich gekommen war, in die U-Bahn stieg und nach Hause fuhr. Eigentlich war es nur der wage Gedanke, noch etwas entdecken zu müssen, der mich wieder hinfahren ließ, zur Virgil Kapelle mit dem kleinen mittelalterlichen Museum.
Aber ich habe ihn eben nicht gehen lassen und anstelle dessen zu sprechen begonnen. Er blieb vor mir stehen. Seine Augen fokussierten mich die ganze Zeit über und er unterbrach mich kein einziges Mal. Es schien mir fast so, als ob er nicht einmal atmete und er in seinem grauen Umhang einfach nur dastand, wie eine aus Stein gehauene Gestalt, die in einer Ecke steht, so lange schon, dass die Zeit ihr den Rücken krümmt und das Alter aus ihrer rauen Oberfläche drückt.
In diesen hypnotisierend dunklen Augen sank ich in der Zeit zurück und die Jahre streiften mich ab an diesem denkwürdigen Tag, an dem ich von schwermütigen Gedanken geplagt, Zerstreuung auf einer ausgedehnten Wanderung durch den herbstlichen Wienerwald gesucht hatte.
Ich erzählte diesen Augen von den Tagen und Wochen in denen mich das Dunkle umfangen gehalten hatte, wie ein zähflüssiger Nebel an grauen Novembertagen, der dich gefangen hält und dich von Allem trennen will, das einst Licht und hell und lebenslustig war. Ich erinnerte die Stunden, die so düster und tief wie Brunnenschächte gewesen waren und aus deren Schwärze sich kein Funke Trost mehr wagen wollte. Ich erzählte diesen Augen, wie ich dumpf einen Schritt nach dem anderen, ziellos, achtlos durch den Wald gestapft war und sich der Dunst der Abenddämmerung in die Schatten der mächtigen Buchen- und Eichenstämme gezwängt hatte, die neben mir den breiten Forstweg langsam zu einem Trampelpfad und weiter zu unwegsamem, steinigen Gelände eingeengt und mich schlußendlich auf eine schattige Lichtung gedrängt hatten.
Das Gras dort hatte hoch gestanden und fast verdeckt, was sich in der Mitte dieser Lücke im Wald als verfallenen Ruine zu erkennen gab, auf dessen abgebrochenen, niedergesunkenen Mauerresten ich mich müde gesetzt hatte. Meine Gedanken waren gekreist und nicht zur Ruhe gekommen, so hatte ich dagesessen im Krieg mit mir selbst.
Ich erzählte diesem bärtigen Gesicht, das nun vor mir hing und gespannt jedes meiner Worte förmlich aufzusaugen schien, wie ich so in meinem Weltschmerz verzweifelt zu Boden gesehen und da plötzlich dieses eigenartige, aurahafte Leuchten wahrgenommen hatte, das sich halb verdeckt von modrig zerfallenen Battresten, aus dem Schatten zweier Mauersteine herausgeschält hatte. Neugierig und vorsichtig hatte ich danach gegriffen und als meine Finger auf etwas hartes, glattes gestoßen waren, hatte ich daran gezogen und es unter den Steinen hervorgeholt.
„Es war eine Spielkarte,“ sagte ich zu Gandalf, der mir reglos zuhörte, „und etwas stimmte nicht mit ihr,“ sprach ich leise weiter. „Sie war so schwer, als wäre sie aus Blei gegossen aber das war nicht das Eigenartigste an ihr. Das Leuchten, das ich gesehen hatte, stammte von einer blütenweisen Reinheit, die kein bisschen verunreinigt war von all dem erdigen, schmutzigen, Laub bedeckten Untergrund, aus dem ich es herausgezogen hatte. Wie konnte das sein?“
Das bärtige Gesicht war noch näher gerückt und ich konnte erstmals genauer seine Augen sehen, in deren Pupillen kohlrabenschwarz nur eine Frage hing: Wie sah sie aus?
„Ich erkannte auf ihrer Vorderseite eine junge Frau,“ erzählte ich weiter, „in einer prächtig purpurfarbenen Robe gekleidet, auf einem Thron sitzen und ein Buch in ihrer rechten Hand halten, mit einem Monalisa gleichen Lächeln auf den Lippen. Ihre Gesichtszüge waren von einer solchen Ebenmäßigkeit und darin eine Weisheit eingemeisselt, als würde sie Zugang zu allem Wissen dieses Universums haben. Ich konnte einfach nur fasziniert in dieses Gesicht starren. Dann passierte es!“
Gandalf war ganz still, aber seine Stille schmolz die Zeit zu einem Meer auf dessen Wellen sich meine Erinnerungen ausbreiteten, damit er darin lesen konnte und ich sprach weiter.
„Sie hob ihre Hand und zeigte auf mich und plötzlich begannen sich Worte in meinem Kopf zu einer Stimme zu formen, die sanft zu mir sprach:
„Die Dunkelheit, die dich gefangen hält, kommt nur von dir allein, weil du entschieden hast nicht mehr auf das zu hören, was schon immer in dir war und immer noch ist, ein tiefes Wissen, zu dem du die Türen zugeschlagen hast. Wenn du es zulässt, dass du das Licht bist, wird sie sich wieder öffnen und aus Dunkelheit wird ein Weg in deine Zukunft sichtbar werden, die du selber dann wirst formen können. Geh jetzt und finde sie!“
„Und dann stand ich auf einmal wieder auf dem Forstweg, auf dem ich in den Wald gegangen war und ich wusste nicht mehr, wie ich dorthin gekommen war. Die Karte, die war verschwunden, aber etwas hatte sich verändert, das spürte ich sofort. Ich sah einen Weg und in diesem Moment war nur das noch Wichtig.“
Gandalf sah mich an und er sagte noch immer nichts, aber in seinem Blick lag ein Anflug von Verstehen, das ich damals nicht zu deuten wusste. Heute denke ich daran zurück und aus dieser Distanz meine ich erkennen zu können, dass in diesem Blick seine eigene Erinnerung eingebettet lag, an jemanden vielleicht, der er selber einmal war, einer verlorenen Seele, die Führung gefunden hatte, durch etwas, das unausgesprochen bleiben muss. Als er endlich zu sprechen anfing lag in seiner Stimme eine Milde, die ich dieser rohen Erscheinung nicht zugetraut hätte.
„Mein Herr,“ sagte er, „Ihm ist etwas Wunderbares widerfahren. Ich weiß nun was er damals fand. Keine Spielkarte war es, oh nein. Sie ist bekannt, aber das Wissen über sie ist verschüttet und kaum einer kann sich noch an sie erinnern, außer dem wandernden Volk, das heute noch einen Satz Karten nutzt unter dem sie sich einstmals auch befand und aus dem sie schon vor Jahrhunderten verbannt wurde. Heute nennt man diesen Karten Satz, Tarot-Karten, früher allerdings hatte er andere Namen, magische und mystische.“
Ein bitteres Lachen grollte aus seiner mächtigen Brust und ließ seinen Umhang zittern. Traurigkeit lag in seiner Stimme als er weitersprach.
„La Papessa. So wurde diese Karte benannt und ihre wahre Bedeutung wurde so oft verkannt, was unter anderem der Grund dafür ist, dass sie nicht mehr benutzt wird.“
Gandalf drehte seine mächtige Gestalt und stellte sich an meine Seite, wo er fast zärtlich zu dem Bildnis in der Vitrine sah. Jetzt, erkannte ich, war er nicht mehr so groß und düster, so ruppig und rau. Eher zusammengesunken und alt, ja, alt erkannte ich.
So habe ich ihn dann auch wieder gesehen, als ich das zweite Mal das kleine mittelalterliche Museum besuchte, eine Woche nach dem ersten Mal, weil mir, wie gesagt, irgendwie noch etwas fehlte. Ich stand dann vor ihm, diesem grollenden, langbärtigen Gandalf, jetzt aber in einer stolzeren Pose.
„Friedrich, der Streitbare,“ hörte ich eine Stimme hinter mir sagen. „Der letzte Herzog der Babenberger. Man schreibt ihm den Bau der Virgil Kapelle zu, ein gescheitertes Projekt. Man baute an dieser Stelle genau darüber die Kapelle der heiligen Magdalena. Vielleicht ist das der Grund warum sich hartnäckig die Legende hält, dass er noch hier herumgeistert, wahrscheinlich um zu vollenden, was ihm zu Lebzeiten nicht gelang.“
Ich drehte mich um und blickte in ein bildhübsches Lächeln einer jungen Frau, die dem Namensschild nach wohl Führungen durch das Museum anbot und hier angestellt war.
Leise verklangen die letzten Worte Gandalfs in meiner Erinnerung, in der wir gemeinsam vor der alten, klapprigen Vitrine standen und auf das Bild einer jungen Frau blickten, die auf einem Sessel sitzend, ein Buch las. La Papessa, die Päpstin.
„Sie stand für das göttlich Feminine,“ sagte er traurig, „und damit im reinen Widerspruch zu allen kirchlichen Dogmen. Sie durfte nicht sein. Ich sage ihm allerdings, mein Herr, sie versinnbildlicht das reine Mitgefühl und das Fürsorgliche und die Liebe als Schlüssel zu spiritueller Führung auf einem spirituellem Weg zu uns selbst. Und ja, sie steht auch für Mystik und Geheimnisse und manchmal, ganz selten nimmt sie uns an der Hand und zeigt uns die intuitive Erkenntnis, die in uns allen steckt.“
Er senkte seinen Kopf und seine Augenlider wurden schwer.
„Er muss jetzt gehen mein Herr, es ist Zeit für mich.“
„Entschuldigen sie bitte, hallo?“ Ich starrte noch immer verstört auf die Steinbüste, die Gandalf zeigte und auf das bronzene Schild darunter auf dem stand: „Herzog Friedrich II, Herr von Wien (1211-1246).“
Ich musste wohl lange so dagestanden haben, vollkommen verständnislos und in Erinnerungen versunken. Die junge Museums Angestellte, tippte mir vorsichtig auf die Schulter und sagte: „Es tut mir leid, aber wir schließen jetzt.“
„Oh, danke, ok!“ Stammelte ich zurück und ging reichlich schwindlig im Kopf Richtung Ausgang, den ich ja vom letzten Mal schon kannte.
„Hey, hallo, nicht da lang!“ Hielt sie mich zurück und als ich nun gänzlich verwirrt stehen blieb, meinte sie: „Das hier ist der alte Zugang, der schon seit 20 Jahren eingestürzt ist. Das Einzige, was wir noch retten konnten bevor das Wasser kam, ist das da,“ und dabei deutete sie auf ein rostig braunes Schild, das an den Ecken mit massiven schwarzen Schrauben an der Wand befestigt war und auf dem kaum lesbar in Kurrentschrift stand: „Mittelalterliches Museum Virgil Kapelle“. Schweigend warf ich meinen Blick darauf und dann ging ich wortlos.
Heute denke ich daran zurück und vielleicht sind meine Erinnerungen schon ein wenig zugedeckt von der Zeit, die vergangen ist, aber etwas war da noch. Das sanfte Lächeln dieser jungen Museumsangestellten, wieso kommt mir das nur so bekannt vor?
Rafael D. Trope, 09. Okt 2023